Institut
Im Wald nahe des vormals klaren Stechlinsees 80km nördlich von Berlin steht das ehemalige Gutshaus Neuroofen. Das Haus wollen wir öffnen, den Ort künstlerisch nachhaltig, sozial und ökologisch entwickeln. Ein inklusiver Ort, den Menschen gewidmet, die sich einmischen, denen Debatte und Erkenntnis nicht genug sind. Die eingreifen und handeln, die neue Ideen (Ideale) in die Welt bringen und erproben. Wir sind überzeugt von der Kraft künstlerischen Denkens und sozialen Engagements. Intergrativ zu denken und den Anthropozentrismus zu relativieren sind eine Notwendigkeit und Ressource zur positiven convivialen* Veränderung (*Zusammenleben mit belebter und unbelebter Natur). Das SI ist künstlerische Blaupause für suffizientes Leben, solidarische Kooperation, Wissenstransfer und hartnäckige Problemlösung. – innerhalb planetarer Grenzen.
Wir haben am Stechlin-Institut einen Raum geschaffen, der die Sinne schärft, sensibilisiert, erinnert Verantwortung zu übernehmen für sein [da]sein, den anderen und sich selbst. Nicht nur den Menschen zentral zu sehen, sondern sich einzufügen in das komplexe System Erde und demutsvoll zurückzunehmen, paritätisch neben allem Lebendigen eingebettet in eine vergehende, noch immer intakt scheinende Natur.
Das SI ist Resonanzraum für Menschen, die sich der anstehenden sozialen, und ökologischen Veränderung bewusst sind, aufstehen und dem Widerstand revisionistischer Kräfte nicht nur ein neues Bewusstsein für das Lebendige entgegen setzen, sondern versuchen Lebensräume zu erhalten und im Besten Fall zu regenerieren. Wir wollen den geschaffenen Freiraum mit Wissen anreichern und im ruralen Kontext erproben, inwieweit nachhaltig suffizientes Leben möglich ist.
Reallabor
„Die Wissenschaftler:innen des Weltklimarats IPCC sagen uns klar, dass unser Handeln oder Nichthandeln in den 2020er Jahren über die Lebensbedingungen auf der Erde für die nächsten tausend Jahre entscheiden wird.“ Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige Ökonomie, Hochschule Konstanz (Technik, Wirtschaft und Gestaltung) in der taz.
„… was die Welt im Innersten zusammenhält, ist ihre Beziehungsstruktur.“ Hans-Peter Dürr, Physiker, Mitglied des Club of Ro
Der westliche Mensch macht sich die Erde untertan, stellt sich über gleichwertige Beziehungen, entzieht sich ökologischer Kohärenz, greift ein und zerstört funktionierende natürliche Strukturen.
Die Beschleunigung dysfunktionaler Systeme, menschlicher Überheblichkeit und grenzenloser Extraktion legen den Verdacht nahe, dass wir wesentliche Kipppunkte reißen und früher oder später den Kollaps menschlicher Zivilisation verwalten müssen.
Unsere Chance ist jetzt handelnd einzugreifen, um das 6. Massenaussterben, welches die menschliche Zivilisation genauso betrifft, wenigstens noch einigermaßen humanistisch zu gestalten. Ein Versuch ist es wert…
Ort
Der globale Norden hat’s verkackt. Und auf richtungsweisende Staaten, die sich der Macht der fossilen Industrien widersetzen, Plattformkapitalismus beschränken, und Klimaziele restriktiv umsetzen, ist nicht zu hoffen.
Wir versuchen den Ort gerade deswegen im Lokalen convivial* (als lebendige Beziehungsstruktur) aufzubauen. Wir wollen herausfinden, wie es funktioniert, im Einklang mit dem Leben einen Ort zu schaffen, an dem gesellschaftliche Zwecke dem Natürlichen gleichgestellt werden. Wir werden Wald, Bäume, See und Boden keinen menschlichen Bedürfnissen unterordnen. Wir wollen nicht versiegeln, nichts Neues bauen, keinen Beton, der Umwelt nicht schaden. Wir werden unsere künstlerische Kompetenz nutzen, dieses Haus ästhetisch so zu entwickeln, dass alt und neu sich ergänzen und funktional erweitern. In den so geschaffenen Räumen wird notwendige Technik als auch Artefakt in formalem Einklang belassen und Umwelt nicht zurückstellt. Wir wollen ein attraktives Gebäude, in dem Menschen, Gruppen sich wohl finden und optimal angepasst arbeiten können (Raumstruktur). Wir wollen herausfinden, ob es möglich ist, ohne größeren Schaden einen Raum zu schaffen, in dem Menschen sozial und körperlich ein Bewusstsein dafür bekommen, dass der menschliche Impact auch für zukünftige Generationen nachhaltig möglich ist. Suffizient und schön.
Wir wollen sichtbar machen, dass weniger mehr sein kann. Es braucht nicht viel, um in Kohärenz mit dem Natürlichen und Lebendigen einvernehmlich nicht extraktiv zu leben, dass sich menschliche Bedingungen nicht an industriellen Normen orientieren müssen. Die Akzeleration des menschlichen Mehr ist für das Zusammenleben irrelevant. Es braucht den, grenzenlosen Überkonsum nicht in einer Welt, die in Anbetracht des zivilisatorischen Mülls aus allen Nähten platzt. Wir wollen hier mit Menschen Leben gestalten, in dem sich jede*r einbringen und wirken kann.
So erfahren und gestalten die Bewohner*innen des Hauses die eigene Selbstwirksamkeit in ihren klimasensiblen Handlungsoptionen, das heisst die Gestaltung des eigenen Aufenthaltes im Haus liegt in der Übernahme von Verantwortung, die für angemessene, energetische Prozesse im Haus notwendig sind.
Konkret heißt das, wir legen den Anwesenden das Heizkonzept offen und die Ausführung in die eigenen Hände. Sie können ihren eigenen Wärmeverbrauch gestalten und regulieren. Darüber wird der Zusammenhang zwischen Holzaufbereitung (-sammeln, -spalten, -hacken) und Verheizen zur Warmwasserversorgung und Raumwärme physisch erfahrbar.
Das Haus
Es ist ein altes Haus, das auch bei heißem Wetter kühl bleibt. Es hat pro Etage eine Fläche von rund 200 Quadratmetern. Momentan werden zwei Etagen zum Wohnen/Leben genutzt. Es gibt Betten für 15 Leute. Die Hauptetage kann beheizt werden, der Dachboden (hauptsächlich Schlafraum) ist noch ungedämmt.
Das Wifi ist ein Breitbandanschluss, mobiler Datenempfang ist allerdings eher mau. Noch ist das Haus nicht barrierefrei.
Die Räume
Die meisten Räume sind groß und offen – Einzel- oder Doppelzimmer gibt es nicht. An den Esstisch passen alle dran, das Kaminzimmer hat ein paar bequeme Sofas und gemütliche Stimmung machen die Kachelöfen. Es gibt zwei Duschen, drei Toiletten, 15 Betten, zwei Kühlschränke und drei Spülen. Zum Schlafen könnt Ihr Euch frei über das Haus verteilen.
Umgebung
Um das Haus liegt eine riesige Obstwiese und alte Bäume spenden Schatten. Der Große Stechlinsee liegt ungefähr drei Kilometer durch den Wald. Auch der Roofensee in die andere Richtung ist zum Schwimmen und Spazieren klasse.
Überall in der Umgebung gibt es lokale Erzeuger. Die Faradgang hat für das Institut einen Haufen Fahrräder wieder flott gemacht, mit denen man auf Erkundungstouren gehen kann. Zum Biobauern, Fischer, Förster, Ziegenhof, Supermarkt, Bäcker oder Imker…
Geschichte
Das Gut Neu-Roofen wurde 1872 von einer preußischen Familie gegründet, die ihre Ländereien hier zur Landwirtschaft verwenden wollte. Weil der Sanderboden kaum Erträge brachte, verkaufte man Stück für Stück alle Äcker und tauschte irgendwann auch das Haus mit der Forst. In der Zwischenzeit wuchs Neuroofen zu einem kleinen Ort mitten im Wald, an dem Waldarbeiter und Förster ausgebildet wurden. Unter den Nationalsozialisten wurde das Haus erweitert und wurde dann für einige Tage 1945 zum Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht. Nach dem Krieg fungierte das Haus als Flüchtlingslager, bevor die Forst in der DDR wieder den Betrieb aufnahm. Zwischenzeitlich war es auch mal Sommerferiencamp für Kinder, Kaufhalle und Jugendclub. Die unterschiedlichen Nutzungen und vielen BewohnerInnen haben alle ihre Spuren eingeschrieben. Nach dieser wechselvollen Geschichte hat die Stiftung Edith Maryon 2014 das Haus für das Stechlin-Institut erworben. Als das Stechlin-Institut einzog, wurde es erst mal bis auf die alten Wände entkernt. Barrierefreier Umbau und Renovierung sind für die nächsten Jahre geplant.
Kunst
Sozial engagierte Kunst
Sozial engagierter Kunst liegt eine etwa hundertjährige Geschichte zugrunde. Künstlerische Praxis begreift sich dabei über den symbolischen Sinn hinaus als Werkzeug unmittelbaren sozialen Wandels. Heute beginnt sich eine wachsende Zahl von Künstler*innen wieder sehr bewusst und aktiv in soziale Felder zu begeben. Das Stechlin-Institut versteht sich als Akteur im Feld sozial engagierter Kunst. Es will das Potenzial künstlerischen Denkens gesellschaftlich wirksam machen und die Handlungsspielräume der Kunst erweitern.
Kunst am Stechlin-Institut
Wie Cornelius Castoriadis sind wir überzeugt von der “schöpferischen Einbildungskraft des Menschen als unerschöpfliche Quelle von Neuem und nie erlahmende Triebkraft der Selbstveränderung einer Gesellschaft.” Und das betrifft nicht nur Künstler*innen.
Künstlerisches Denken ist ein emanzipatorischer Prozess. Bernhard Waldenfels schreibt Künstler*innen eine besondere Fähigkeit zu, die darin besteht, Ambiguität auszuhalten. Er sagt sinngemäß: Künstler*innen machen sichtbar, was unsichtbar ist. Sie verändern nicht, was störend ist – sie produzieren eine andere Perspektive darauf. Die Kunst ist eine Disziplin, ein Verfahren, das Abweichung, Überraschendes, Überflüssiges sichtbar macht, um den Gang der normalen Erfahrung und Wahrnehmung zu durchbrechen.
Klimagerechtigkeit und die sozio-ökologische Transformation unserer Gesellschaft gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. In “Die Große Transformation – Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels” spricht Uwe Schneidewind, der ehemalige Präsident des Wuppertal Instituts und Mitglied des Club of Rome, explizit vom Zukunftskünstler als Treiber des notwendigen Wandels. Künstler*innen verlassen sich auf ihr Bauchgefühl, überwinden Ambivalenzen um dann mit beschränkten Mitteln Unglaubliches zu schaffen. Aus unserer künstlerischen Erfahrung und unserem ernsthaftem Spieltrieb können wir achtsam und nachhaltig neue Narrative auf dem Weg in eine postfossile Zukunft entwickeln. Niederschwellig aber mit viel Leidenschaft können wir Künstler*innen unseren Teil dazu beitragen um Transformationsprozesse für eine nachhaltig lebenswerte Zukunft zu entwerfen und umzusetzen.
Auch der temporäre Rückzug in ein “ländliches” Umfeld ist eine Strategie aus dem Kontext der Kunst mit dem Ziel der Übersicht, der Klärung. Das Zusammenleben der Teams von Non-Profit-Organisationen mit Künstler*innen bedeutet in erster Linie Auseinandersetzung mit einem vorerst fremden, zumindest anderen Lebensentwurf. Es sollte aber auch erwähnt werden, dass die Künstler*innen mit der gleichen Unsicherheit der Situation konfrontiert sind. Die Begegnung der Akteure findet demgemäß auf Augenhöhe statt und bietet allen das Potential, die eigene Situation zu reflektieren.